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Vorfrühling - Gedichte klassischer Autoren

Klassische Gedichte zur Vorfrühlingszeit

Zwei Schneeglöckchen
Foto: pixabay.com

Heinrich Seidel (1862-1906)
Schneeglöckchen

Schneeglöckchen ist des Winters Blüthenkind.
Es geht zu Ende eilend sein Regieren;
Da will nach Schnee und Eis und rauhem Wind
Er sich im Sterben noch mit Blüthen zieren.

Klassische Gedichte zur Vorfrühlingszeit von A - Z

An den Lenz
Friedrich Rückert

Der Frühling naht mit Brausen
Karl Klingemann

Der erste Frühlingsfalter
Johann Nepomuk Vogl

Die Knospen schwellen
Hermione von Preuschen 

Erste Lerche
Arno Holz

Es brechen im schallenden Reigen ...
Karl Klingemann

Es kommen die Schwalben
Sidonie Grünwald-Zerkowitz 

Falscher Frühling
Maria Waser

Februar
Cäsar Flaischlen

Februarschnee
Cäsar Flaischlen

Früher Frühling
Fred Endrikat 

Frühling
Hermann Löns 

Frühlingsbote
Heinrich Seidel

Frühlingssonne
Julius Rodenberg

Im März
Adolf Ey

Im März
Heinrich Seidel

Immerhin
Wilhelm Busch 

Im Vorfrühling
Heinrich Seidel

Im Vorfrühling
Stephan von Millenkovich

Lauer Märzwind
Georg Stolzenberg

Lenzahnen
Richard O. Koppin

Lenzgruß
Heinrich Eggersglüß

Lenzphysiognomie
Johann Nepomuk Vogl

Licht
John Henry Mackay

März
Richard O. Koppin

Märzensturm
Anna Ritter 

Märzgesang
Julius Rodenberg

Märzschnee
Hermann Löns 

Schneeglöckchen
Otto Baisch

Schneeglöckchen
Friedrich Rückert 

Schneeglöckchen
Heinrich Seidel

Schneeglöckchen lacht
Adolf Böttger

Verklärtes Häusermeer
Arno Holz 

Vetter Starmatz
Victor Blüthgen

Vorfrühling
Elisabeth Josephson

Wenn der Lenz beginnt
Hermann Francke 

Winters Flucht
Hoffmann von Fallersleben

Wollte nicht der Frühling kommen?
Erich Mühsam 

Zauberer Frühling
Helene Branco

 

Fred Endrikat (1890-1942)
Früher Frühling

Zwischen Februar und März
Liegt die große Zeitenwende,
und, man spürt es allerwärts,
mit dem Winter geht`s  zu Ende.
Schon beim ersten Sonnenschimmer
Steigt der Lenz ins Wartezimmer.
Keiner weiß, wie es geschah,
und auf einmal ist er da.
Manche Knospe wird verschneit
Zwar im frühen Lenz auf Erden.
Alles dauert seine Zeit,
nur Geduld, es wird schon werden.
Folgt auch noch ein rauher Schauer,
lacht der Himmel um so blauer.
Leichter schlägt das Menschenherz
zwischen Februar und März.

Hermann Löns (1866-1914)
Märzschnee

Märzschnee rieselt durch die Zweige
Und umspinnt den weiten Wald,
Alle Vogellieder schweigen
Und es wird so stumm und kalt.

Eine kleine graue Meise
Trillert einmal noch ihr Lied,
Einmal noch ein Sonnenstreifen
Dünn den stillen Wald durchzieht.

Auf den kalten, nassen Wegen
Gehe ich mit leichtem Fuß,
Wie ein Lied war mir dein Lächeln
Und wie Sonnenschein dein Gruß.

Julius Rodenberg ( 1831-1914)
Frühlingssonne

Frühlingssonne tritt mit Funkeln
Aus den Wolken; Merzluft weht,
Tief am Berg, im Wald, dem dunkeln
Und am Strom der Schnee zergeht.
Veilchendüfte, Lerchenschall,
Glanz und Jubel überall.
O wie wonnig,
O wie sonnig,
Wenn der Frühling aufersteht!

Möchte nun ein Vogel werden,
In den Himmel fliegen ein,
Und doch von dem Glanz der Erden
Kann ich gar nicht mich befrei n.
O, mein Schatz, so anmuthreich,
Erd' und Himmel mir zugleich,
Stern und Sonne,
Qual und Wonne,
Könnt' ich nunmehr bei Dir sein!

Friedrich Rückert (1788-1866)
Schneeglöckchen

Der Schnee, der gestern noch in Flöckchen
Vom Himmel fiel
Hängt nun geronnen heut als Glöckchen
Am zarten Stiel.
Schneeglöckchen läutet, was bedeutet's
Im stillen Hain?

O komm geschwind! Im Haine läutet's
Den Frühling ein.
O kommt, ihr Blätter, Blüt' und Blume,
Die ihr noch träumt,
All zu des Frühlings Heiligtume!
Kommt ungesäumt!

Arno Holz (1863-1929)
Erste Lerche

Zwischen
Gräben und grauen Hecken,
den Rockkragen hoch,
beide Hände in den Taschen,
schlendere ich
durch den frühen
Märzmorgen.

Falbes Gras,
blinkende Lachen und schwarzes Brachland,
so weit ich sehen kann.

Dazwischen,
mitten in den weißen Horizont hinein,
wie erstarrt,
eine Weidenreihe.

Ich bleibe stehen.

Nirgends ein Laut.       Noch nirgends Leben.
Nur die Luft und die Landschaft.

Und sonnenlos
wie den Himmel
fühle ich
mein Herz.

Plötzlich - ein Klang!

Ein zager, zarter zitternder Jubel,
der,
langsam,
immer höher
steigt!

Ich suche in den Wolken.

Über mir,
wirbelnd, schwindend, flatterdrehig, flügelselig, kaum entdeckbar,
pünktchenschwarz,
schmetternd,
durch
immer heller strömendes Licht,
die
erste Lerche!

Helene Branco (1816-1894)
Zauberer Frühling

Zaub'rer Frühling kommt in Lüften,
In der goldnen Strahlen Tracht,
Malt in Farben, haucht in Düften,
Schmückt die Flur in luft'ger Pracht.

Sieh, wie lohen, sieh, wie flammen
Hier die Grunde, dort die Flur,
In ein einzig Grün zusammen
Blüht erwachend die Natur.

Maienglöckchens Brautgelaute
Steht in seinem reichen Sold,
Wonnereigen füllt die weite
Flur im Grün und Sonnengold.

Kleine Sänger, die Gespielen
An der Rose holdem Thron,
Schlagen an mit seel'gem Fühlen
Neue Lust im Liebeston.

Bunte Schmetterlinge schweben
Wie in einer Wunderwelt,
Blumen sich beflügelt heben
Von der Luft emporgeschnellt.

Im melod'schen Zuge wallen
Goldne Bienen durch die Luft,
Silberweiße Flöckchen fallen
Leicht in's Grün wie Nebelduft.

Aus der Sonne goldnen Strahlen
Webt der Zaub'rer Frühling Licht,
Falter, Lüfte, Blümchen malen
Frühlingsgöttlich Traumgesicht.

Friedrich Rückert (1788-1866)
An den Lenz

Schmücke doch, du Hand des Lenzen,
Schmücke diese Fluren doch,
Daß ich sie zuletzt erglänzen
Seh' in vollem Glanze noch.

Daß, wenn ich einst einsam weine,
Aus der Ferne dein Gefild'
Tröstlich lächelnd mir erscheine,
Nicht ein starrend Winterbild.

Heinrich Seidel (1862-1906)
Im Vorfrühling

Im März ein Sonnentag,
Verheissungsvoll und schön,
Die Luft voll Amselschlag
Und lieblichem Getön.

Noch zeiget keine Spur
Von Grün und Blumen sich,
Und auf des Waldes Flur
Nur Laub, das längst verblich.

Doch weht so ahnungsreich
Die milde Sonnenluft,
Und auf dem Baumgezweig
Liegt’s wie ein zarter Duft.

Noch schläft die Welt gelind,
Doch regt sie sich schon still,
Gleich einem Wiegenkind,
Wenn es erwachen will.

Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)
Winters Flucht

Dem Winter ward der Tag zu lang,
ihn schreckt der Vogel Lustgesang;
Er horcht und hört´s mit Gram und Neid,
Und was er sieht, das macht ihm Leid.

Er sieht der Sonne milden Schein,
Sein eigner Schatten macht ihn Pein.
Er wandelt über grüne Saat
Und Gras und Keime früh und sprach:
“Wo ist mein silberweißes Kleid,
Mein Hut, mit Demantstaub bestreut?”

Er schämt sich wie ein Bettelmann
Und läuft, was er nun laufen kann.
Und hinterdrein scherzt Jung und Alt
In Luft und Wasser, Feld und Wald;
Der Kiebitz schreit, die Biene summt,
Der Kuckuck ruft, der Käfer brummt;
Doch weil´s  noch fehlt an Spott und Hohn,
So quakt der Frosch vor Ostern schon.

Julius Rodenberg (1831-1914)
Märzgesang

Noch liegt die Erde wie befangen,
Es ruht das Feld, es schweigt der Wald;
Der Himmel ist noch schwarz verhangen,
Und aus den Bergen weht es kalt.

Doch horch! es geht ein leises Mahnen,
Ein Flüstern geht geheimnißvoll —
Als sollte man schon leise ahnen,
Was nunmehr Alles werden soll.

Die Wolken ziehen rasch am Himmel,
Die Wasser rauschen voll durch's Thal;
Bald kommt ein flockiges Gewimmel,
Bald ein verirrter Sonnenstrahl.

Und durch dies ahnungsvolle Grausen,
Durch dieses Hoffen schmerzensbang,
Geht stark und voll der Winde Brausen,
Wie der Gewalt'gen Lenzgesang.

Ich muh in's kühle Land hernieder,
Durch Wald und Feld trägt mich der Schritt;
Der Sturm singt seine dunklen Lieder,
Und tiefbewegt sing' ich sie mit.

O banges Sehnen, dunkle Regung,
Die wunderbar im Herzen gährt,
Bis aus der stürmischen Bewegung
Der Liebe Frühling sich verklärt!

Wilhelm Busch (1832-1908)
Immerhin

Mein Herz, sei nicht beklommen,
Noch wird die Welt nicht alt.
Der Frühling ist wiederkommen,
Frisch grünt der deutsche Wald.

Seit Ururvätertagen
Stehen die Eichen am See,
Die Nachtigallen schlagen,
Zur Tränke kommt das Reh.

Die Sonne geht auf und unter
Schon lange vieltausendmal,
Noch immer eilen so munter
Die Bächlein ins blühende Tal.

Hier lieg' ich im weichen Moose
Unter dem rauschenden Baum,
Die Zeit, die wesenlose,
Verschwindet als wie ein Traum.

Von kühlen Schatten umdämmert,
Versink' ich in selige Ruh;
Ein Specht, der lustig hämmert,
Nickt mir vertraulich zu.

Mir ist, als ob er riefe:
»Heija, mein guter Gesell,
Für ewig aus dunkler Tiefe
Sprudelt der Lebensquell.«

Hermann Löns (1866-1914)
Frühling

Hoch oben von dem Eichenast
Eine bunte Meise läutet
Ein frohes Lied, ein helles Lied,
Ich weiß auch, was es bedeutet.

Es schmilzt der Schnee, es kommt das Gras,
Die Blumen werden blühen;
Es wird die ganze weite Welt
In Frühlingsfarben glühen.

Die Meise läutet den Frühling ein,
Ich hab' es schon lange vernommen;
Er ist zu mir bei Eis und Schnee
Mit Singen und Klingen gekommen.

Arno Holz (1863-1929)
Verklärtes Häusermeer

Mitten auf dem Platz,
wo die Kinder lärmen,
bleib ich stehn.

Jungens,
die sich um eine Murmel zanken,
ein kleines Mädchen, das Reifen spielt ...

Herr Gott, Frühling!

Und nichts, nichts hab ich gesehn!

Aus allen Büschen
brechen ja schon die Knospen!

Hermann Francke (1663-1727)
Wenn der Lenz beginnt

Wenn der Lenz beginnt
wenn der Schnee zerrinnt
und die Veilchen weckt ein warmer Hauch
wenn die Täler blühn
wenn die Berge grün
Herz, o Herz, erwache du dann auch
Sieh die Welt so blühend
sieh die Welt so weit
o du wundersel´ge Frühlingszeit.


Wenn im tiefen Wald
Kuckucksruf erschallt
wenn im Blauen sich die Lerche schwingt
wenn mit süßem Schall
lockt die Nachtigall,
O, wie jubelt dann das Herz und singt
Sieh die Welt so blühend
sieh die Welt so weit
o du wundersel´ge Frühlingszeit.


Weiß nicht, was ich will
möchte weinen still
möchte jubelnd wandern immerzu
Sehnsucht lockt hinaus
Liebe zieht nach Haus
Herz, o trauernd Herz, was willst denn du?
Zieh herein ins Herz
in Glanz und Herrlichkeit
O du wunderselge Frühlingszeit.

Georg Stolzenberg (1857-1941)
Lauer Märzwind

Lauer Märzwind
jagt verspätete Flocken.

Von unten
gegen die schwarze Erddecke
drücken lebendige Finger.

Unruhig laufen die Menschen,
die Tiere.

Fern,
immer näher rauscht
die Springflut
von Licht
und Glück.

Heinrich Seidel (1862-1906)
Frühlingsbote

Der Frühling weiss zu finden
Mich tief in Stadt und Stein,
Giesst mir ins Herz den linden
Fröhlichen Hoffnungsschein.

Manch’ grüne Wipfel lauschen
Zwischen den Dächern vor,
Ein Lerchenklang durch’s Rauschen
Der Stadt schlägt am mein Ohr.

Ein Schmetterling als Bote
Flattert im Wind vorbei,
Hinschwebend über das todte
Steinerne Einerlei.

Heinrich Seidel (1862-1906)
Im März

Über jenen blauen Bergen
Sah ich jüngst den Frühling lauschen.
Auf des Hügels sanfte Rundung
Stützte er die ros'gen Hände
Und in seinem schönen, goldnen,
Langhinfließendem Gelocke
Trug er einen Kranz von Blumen.
Und er lächelte und nickte,
Winkte dann mit seiner Rechten,
Und mir war, als kläng' ein Rufen
Durch der Lerchen Jubiliren,
Und ein Windhauch brächt' ein Düften
Wie von Veilchen hergetragen. -

Still verblaßte dann das Bildniß
Und verschwamm und stand am Hügel
Wie ein schimmernd weißes Wölkchen.

Erich Mühsam (1878-1934)
Wollte nicht der Frühling kommen?

Wollte nicht der Frühling kommen?
War nicht schon die weiße Decke
von dem Rasenplatz genommen
gegenüber an der Ecke?
Nebenan die schwarze Linde
ließ sogar schon (sollt ich denken)
von besonntem Märzenwinde
kleine, grüne Knospen schwenken.
In die Herzen kam ein Hoffen,
in die Augen kam ein Flüstern –
und man ließ den Mantel offen,
und man blähte weit die Nüstern ...

Ja, es waren schöne Tage.
Doch sie haben uns betrogen.
Frost und Sturm und Schnupfenplage
sind schon wieder eingezogen.
Zugeknöpft bis an den Kiefer
flieht der Mensch die Gottesfluren,
wo ein gelblichweißer, tiefer
Schnee versteckt die Frühlingsspuren.
Sturmwind pfeift um nackte Zweige,
und der Rasenplatz ist schlammig.
In mein Los ergeben neige
ich das Auge. Gottverdammich!

Victor Blüthgen (1844 - 1920)
Vetter Starmatz

Wenn der Starmatz wieder heimkommt und der Frost nicht mehr dräut,
ach, was sind da die Kinder für glückliche Leut'!
Denn da schwirrt's bald und da schwebt's bald in Lüften zuhauf,
und da tun bald alle Blümlein ihre Äugelchen auf.

"Vetter Starmatz, Vetter Jakob, was bringst du uns mit?"
"Ein bissel Knarren, ein bissel Flöten, ein bissel Zwitschern, ich bitt'.
Keine Taschen im Rocke, kein Ränzchen ist mein,         
wo tät' ich in der Fremde für euch was hinein?"

"Vetter Starmatz, Vetter Jakob, dein Häuschen steht leer.
Unser Sperling wollt' mieten, es gefiel ihm so sehr.
Was willst du uns zahlen, vermiet' ich dir das!"
"Ei da sing' ich, ei da spring ich, ei da spaß' ich euch was."

"Vetter Starmatz, Vetter Jakob, wo hast du deine Frau?"
"Wenn die Stube wird blank sein, dann kommt sie zum Bau,
und da gibt's art'ge Kinder, nicht eins wird gewiegt;
denn ein richtiger Starmatz ist allzeit vergnügt."

Vogel Star im Grünen
Bild: Gerhard / pixabay.com

Cäsar Flaischlen (1864 - 1920)
Februar

Schon leuchtet die Sonne wieder am Himmel
und schmilzt die Schneelast von den Dächern
und taut das Eis auf an den Fenstern
und lacht ins Zimmer; wie geht´s? wie steht´s?

Und wenn es auch noch lang nicht Frühling,
so laut es überall tropft und rinnt...
du sinnst hinaus über deine Dächer...
du sagst, es sei ein schreckliches Wetter,
man werde ganz krank! und bist im stillen
glückselig drüber wie ein Kind.

Cäsar Flaischlen (1864 - 1920)
Februarschnee

Februarschnee
tut nicht mehr weh,
denn der März ist in der Näh!
aber im März
hüte das Herz,
daß es zu früh nicht knospen will!
warte, warte und sei still!

Und wär der sonnigste Sonnenschein,
und wär es noch so grün auf Erden,
warte, warte und sei still:
es muß erst April gewesen sein,
bevor es Mai kann werden!

Sidonie Grünwald-Zerkowitz (1852 - 1907)
Es kommen die Schwalben

Es kommen die Schwalben
Schon über das Meer,
Sie brachten den Frühling,
Den grünenden, her.
 
Doch keine brachte
Mir Grüße von Dir!
Wie winterlich bange,
Wie bange ist mir!
 
Ich seh' nicht den Tag, der
So hell erwacht
Im Frühlingsstrahl aus
Der Winternacht!
 
Nicht seh' ich die Blüten
Am Mandelbaum,
Mich hat's nicht erweckt aus
Dem Wintertraum!
 
Ich seh' nur die Schwalbe,
Die kam über's Meer
Ins harrende Nestchen ...
Und das Herz wird mir schwer!

Hermione von Preuschen (1854 - 1918)
Die Knospen schwellen

Verhüllt und verschleiert der Berge Pracht,
kein Licht auf der schweren Zypressen Nacht,
nur die Knospen an starrenden Zweigen
stehen verhüllt und schweigen.

Sie schweigen von blauender Lenzeszeit,
sie wachsen hinein in die Seligkeit,
die Knospen schwellen und schweigen!

Kommt endlich die Nacht, da in Liebesarm
am Berghang ich lehne, so selig-warm,
unter goldnen Orangenzweigen?
Und die Blüten schlagen die Augen auf -
und es schauert ein leuchtender Lenz herauf?

Die Knospen schwellen und schweigen!

Anna Ritter (1865 - 1921)
Märzensturm

Märzensturm, rufst du mich?
Komm nur und hasche mich!
Jag' mich den Berg hinan,
Sieh doch, wer's besser kann,
Du oder ich.
 
Laß mir mein Kleid in Ruh,
Unbänd'ger Junge du!
Sollen's die Andern seh'n,
Wie mir die Röckchen weh'n?
Laß mich in Ruh.
 
Schön wie der Sonnenschein,
Stark muß mein Liebster sein!
Kannst du's, so küsse mich ...
Glaubst wohl, du fingest mich?
Bild dir nichts ein!
 
Geht dir der Athem aus?
Sieh dort am Weg das Haus!
Bautz - fliegt die Thür in's Schloß,
Komm, wilder Weggenoß,
Hol' mich heraus!

Heinrich Eggersglüß (1875 - 1932)
Lenzgruß

Ein Lebenshauch durchdrang die Erde
Nach langer, kalter Winternacht;
Und durch des Schöpfers Wort: „Es werde!“
Ist alles wie vom Schlaf erwacht.

Noch mag das Leben sich nicht zeigen
In seiner Pracht so wunderbar,
Doch bald bricht es aus allen Zweigen
Und bietet uns den Frühling dar.

Schon melden uns die Frühlingsboten,
Die ersten, die er ausgesandt:
„Der Frühling ist nicht bei den Toten,
Bald zieht er siegreich durch das Land!

Bald wird er Gärten, Fluren zieren
Mit schönen Blumen, duft’gem Grün;
Bald wird er herrlich triumphieren,
Und alles, alles wird erblühn! –

Und neue Hoffnung wird er bringen,
So manches, was das Herz erfreut!“ –
Drum laßt auch uns frohlockend singen:
„Willkommen, schöne Frühlingszeit!“

 

Karl Klingemann (1798 - 1862)
Es brechen im schallenden Reigen ...

Es brechen im schallenden Reigen
Die Frühlingsstimmen los,
Sie können´s nicht länger verschweigen,
Die Wonne ist gar zu groß!
Wohin, sie ahnen es selber kaum,
Es rührt sie ein alter, ein süßer Traum!

Die Knospen schwellen und glühen
Und drängen sich an das Licht,
Und warten in sehnendem Blühen,
Daß liebende Hand sie bricht.
Wohin, sie ahnen es selber kaum,
Es rührt sie ein alter, ein süßer Traum!

Und Frühlingsgeister, sie steigen
Hinab in der Menschen Brust,
Und regen da drinnen den Reigen
Der ew´gen Jugendlust.
Wohin, sie ahnen es selber kaum,
Es rührt sie ein alter, ein süßer Traum!

Otto Baisch 1840 - 1892
Schneeglöckchen

Sei gegrüßt, du zarte Blüte,
Unter Schnee und Frost
Mit prophetischem Gemüte
Still hervorgesproßt!
"Soll der Winter ewig dauern?"
Fragt es hier und da;
Sieh, da rufst du durch sein Schauern
„Heil, der Lenz ist nah!"

Bald nun nehmt ihr an den Hagen
Grüne Spitzen wahr,
Hört die Nachtigallen schlagen
Süß und wunderbar;
Frischbelaubte Wipfel geben
Dann den Ton zurück,
Und es labt sich alles Leben
An des Lenzes Glück.

Du jedoch, die ihn vor allen
Ahnend vorempfand,
Biegst dann welk dahingefallen
Auf dem grünen Land.
Rasch ist deine Zeit verronnen,
Holdes Lenzgedicht:
Künden darfst du Frühlingswonnen,
Sie genießen nicht.

Adolf Böttger (1815 - 1870)
Schneeglöckchen lacht

Schneeglöckchen lacht und jubelt,
Dass es so frühe lebt,
Nicht wenn das Laub, das falbe
Im Herbst zur Erde bebt.

Schneeglöckchen hängt das Köpfchen,
Dass es so frühe blüht.
Nicht wenn im Maienglanze
Die Ros’ und Lilie glüht!

O Menschenherz, du Blume
Im Lenz der Jugendzeit —
Du liebst und brichst, und der Frühling.
Bleibt Dir so fern, so weit!

John Henry Mackay 1864 - 1933
Licht

Es schlug die Nachtigall. Da lauschte,
Wer ihrer Lieder Laut vernahm.
Der Frühling nahte und vertauschte
Das Zepter mit des Winters Gram.

Es stand ein Paar am Gartenhange –
Sie küssten und umschlangen sich:
Nun dauert es nicht mehr so lange –
Der Frühling kam, der Winter wich.

Es sprossten Beet und Baum und blühten,
Und grün ward meines Walds Revier.
Nun wird das Licht die Liebe hüten –
Ich aber sehne mich nach dir!

Karl Klingemann (1798 - 1862)
Der Frühling naht mit Brausen

Der Frühling naht mit Brausen
er rüstet sich zur Tat,
und unter Sturm und Sausen
keimt still die grüne Saat.
Drum wach, erwach, du Menschenkind
daß dich der Lenz nicht schlafend find
drum wach, erwach, du Menschenkind
daß dich der Lenz nicht schlafend find

Tu ab die Wintersorgen,
Empfange frisch den Gast;
Er fliegt wie junger Morgen,
Er hält nicht lange Rast.
Die Knospe schwillt,
Die Blume blüht,
Die Stunde eilt,
Der Frühling flieht.
Drum wach, erwach, du Menschenkind,
Daß dich der Lenz nicht schlafend find'!

Dir armen Menschenkinde
Ist wund und weh ums Herz,
Auf, spreng getrost die Rinde,
Schau mutig frühlingswärts!
Es schmilzt das Eis, die Quelle rinnt,
Dir taut der Schmerz und löst sich lind.
Drum wach, erwach, du Menschenkind,
Daß dich der Lenz nicht schlafend find'!

Und wie die Vöglein leise
Anstimmen ihren Chor,
So schall auch deine Weise
Aus tiefster Brust hervor:
Bist nicht verarmt, bist nicht allein,
Umringt von Sang und Sonnenschein!
Drum wach, erwach, du Menschenkind,
Daß dich der Lenz nicht schlafend find'!

Richard O. Koppin 1879 - 1939
März

KEIM,
der du dich zum Licht bewegst,
im Antlitz noch der Erde Spuren trägst,
der du — ein winziger Gigant —
kühn sprengtest deines Kerkers Wand:

Als Kommenden,
einst früchteschweren Baum,
grüßt dich des Tages Purpursaum,
und einer Morgenglocke Klang,
zujubelnd deinem Werdedrang,
ertönt im Raum.

Im Überschwang
aus Nacht und Traum
erdfinstrer Schollen
steigt auf zur Welt
dein junges Leben,
urdunkles Wollen
emporzuheben
zum Himmelszelt.

Richard O. Koppin 1879 - 1939
Lenzahnen

LENZAHNEN zittert durch die blauen Räume
auf unsichtbaren Sehnsuchtsharfen-Saiten...
Verwundert recken tausend Winterträume
die Hälse auf und lauschen in die Weiten.

Wach werden Wälder, Berge, Täler, Bäche,
Brautschleier winken schon aus Busch und Zweigen,
in Lichtglanz liegt die ferne Meeresfläche. — —

Die Welt tanzt goldbeschuht den Frühlingsreigen.

Elisabeth Josephson 1858 - 1901
Vorfrühling

Seltsam irrt's in süßen Tönen
Des Erwachens durch die Flur,
Gleich als stammle die Natur
Von dem künftgen Glück und Tränen.
Horch, mein Herz, und hoffe nur!

Johann Nepomuk Vogl 1802 - 1866
Der erste Frühlingsfalter

Zu früh, du bunter Frühlingsfalter,
Zersprengtest du den stillen Sarg,
Der dich in deinem zarten Alter
Vor grimmen Winterstürmen barg.

Was willst du, da in allen Weiten
Dir noch kein einzig’ Blümchen blüht?
Noch stößest du auf keinen Zweiten,
Der so wie du in Farben glüht.

Die Sonne, ach, die schlimme Sonne,
Hat trügend dich herausgelockt,
Damit in erster Lenzeswonne
Dir schon der Puls des Lebens stockt.

Nun flieg’ nur hin, getauscht von Scherzen,
Du armer schöner Schmetterling,
Weiß ich doch auch von einem Herzen,
Dem’s eben so wie dir erging.

Adolf Ey 1844 - 1934
Im März

Märzsonnenschein ... Die Kätzlein schnurren
Im Hof und putzen jedes Haar.
Im Holz die wilden Tauben gurren
Grad so verliebt wie vor‘ges Jahr.

Noch stehen kahl die Buchenäste,
Es hat vor kurzem noch geschneit,
Und schon geht in der roten Weste
Der Buchfink wieder auf die Freit.

Der Hase duckt im Kohl sich nieder
Und winkt der Häsin zärtlich zu.
Die Jungens suchen sich schon wieder
Die Mädel mit und ohne Schuh.

Ich sah sich heute zwei verstecken,
Es ging schon etwas auf die Nacht.
Gott Amor sitzt in allen Ecken,
Der Lausbub reibt die Hand und lacht.

Emil Peschkau 1856 - 1930
Frühling

"Der Lenz ist da!" Wie fröhlich schallt
Der Jubelruf durch Feld und Wald.
Das Veilchen erzählt's der alten Ficht',
Die schüttelt den Kopf und glaubt es nicht;
Die Quelle flüstert's dem Moose zu,
Das brummt dawider: laß mich in Ruh'.
Der Kuckuck predigt's mit lauter Stimm'
Und weckt der krächzenden Raben Grimm;
Die Sonne scheint so warm und hell,
Dem Schnee entrieselt ein Thränenquell.

Auf grüner Wiese, mit frohem Sinn,
Da sitzen Schäfer und Schäferin.
Sie sehen nicht die Frühlingspracht,
Die rings aus Blüten und Knospen lacht,
Lippe an Lippe und Herz an Herz
Leben sie selber den Liebesmärz.

Und dort am nahen Waldesrand,
Da steht ein Mann im Mönchsgewand.
Den Arm er um eine Buche schlingt,
Aus seiner Brust ein Seufzer dringt.
Die Wang' an den grauen Stamm gedrückt,
Träumt' er als Schäfer sich, still beglückt.
Doch blendet der Sonne Licht ihn bald
Und weiter eilt er hinein in den Wald....

*Quelle: gedichte.xbib.de

Stephan von Millenkovich 1836 - 1915
Im Vorfrühling

O Sonne, die Du milde scheinst,
Ergießend Deines Lichtes Flut,
Wofern Du’s liebend ernst nicht meinst,
So halte noch zurück die Glut.

O schmeichle nicht mit Deinem Strahl,
Der allwärts Leben wecken muss,
So mächtig über Berg und Tal,
Betöre nicht mit Deinem Kuss.

Schon reget sich der Erde Kraft,
Die todesmatt geschlummert lang,
Und alles schwillt in frischem Saft
Und alles füllt ein tiefer Drang.

Wofern ein Frost noch kommen soll,
So halte Du bei Zeiten ein,
Und spende nicht so reich, so voll,
Wie süß erquickend auch Dein Schein.

Zu spät! Du kannst nicht mehr zurück -
O sieh, vor Deines Blicks Gewalt
Grünt alles schon im Lenzesglück
Und Knospen springen tausendfalt.

Maria Waser 1878 - 1939
Falscher Frühling

Was ein erlogner Lenz ans Licht gelockt,
zu trügerischem Dasein jäh erweckt,
das hat die weiße Hand nun zugedeckt,
und alles Leben stockt.

O weißes Schweigen, feierlich gebreitet,
wie wird auf einmal alles Wesen klar,
das Enge frei ins Räumige geweitet,
Unreines rein und eins, was uneins war.

Die du den Aufruhr still zur Ruh gebracht,
du kühle, du des großen Arztes Hand,
verweile, bis das schlafgereifte Land
zum wahren Lenz erwacht.

Johann Nepomuk Vogl 1802 - 1866
Lenzphysiognomie

Wie ist es so ganz anders worden,
So anders in der kurzen Zeit!
Obgleich am Dach noch eis’ge Borden,
Und jede Furche überschneit.

Obgleich noch unbelaubt die Zweige,
Und kahl und dürr ein jeder Strauch,
Noch unbetreten all’ die Steige,
Gerade wie es früher auch.

Und dennoch spricht ein and’res Wesen
Aus Baum und Strauch, umhüllt von Schnee,
Mir ist, ich könnt’ auf jedem lesen:
Du böser Winter, nun ade!

Es scheint die Erde mir ein Kranker,
Der zwar vom Siechtum noch bedräut,
Doch schon erfasst den Hoffnungsanker
Und still sich seiner Rettung freut.