Anita Menger 2019/2020
Bommel, der erste Osterhase
Früher, es ist schon sehr lange her, feierten die Menschen zwar das Osterfest, aber es gab noch keinen Osterhasen.
Damals waren die Regenbogenfee und ihre Kinder, die auch heute noch für die Farben der Natur verantwortlich sind, in der Osterzeit zusätzlich für das Sammeln, Färben und Verstecken der Ostereier verantwortlich.
Wenn ihr meint, dass das für die Feen ein Leichtes war, da sie ja ihre Feenkräfte haben, täuscht ihr euch. Mit dem Zauber der Feen und Elfen ist es so wie mit den besonderen Talenten, die einige Menschen haben. Die Gabe allein genügt nicht, es gehören immer auch Fleiß und Ausdauer dazu.
Nicht, dass die Feen den Menschenkindern nicht gern diese Osterfreude machten, aber es wurde ihnen mit der Zeit doch etwas viel. Die Eier mussten aus vielen, oft weit entlegenen, Hühnerställen eingesammelt und danach haltbar gemacht werden, wobei die Feen sie nicht kochten, sondern hierbei Feenstaub zu Hilfe nahmen. Anschließend wurden die Eier eingefärbt, was viel Zeit in Anspruch nahm, dann wurden sie in die mit geschickten Händen geflochtenen Nester gelegt und in den Gärten oder Häusern der Menschen versteckt.
Die Regenbogenfee bemühte sich immer wieder im Tierreich Hilfe, wenn nicht gar Ersatz, zu finden. Nacheinander wagte sie mit Kuckuck, Hahn und Fuchs einen Versuch. Leider konnte sich keiner von ihnen durchsetzen, so blieb die Arbeit weiter an den Feen hängen.
Doch eines Tages wendete sich das Blatt. Es war wieder einmal kurz vor Ostern, die Regenbogenfee und ihre Töchter waren mitten in den Vorbereitungen zum Osterfest. Diesmal hatten sie allerdings einen neugierigen Zuschauer.
Bommel, ein kleiner Feldhase, war auf einem seiner Ausflüge auf die provisorisch eingerichtete Oster-Werkstatt gestoßen und beobachtete fasziniert, was dort vor sich ging. Er konnte sich gar nicht losreißen und hätte nur zu gern mitgemischt.
Nach einiger Zeit hatte er den Mut sich einer Fee, die gerade aus der Werkstatt kam, zu nähern und fragte sie frei heraus, ob er nicht helfen könnte. Lilo, so hieß diese Tochter der Regenbogenfee, antwortete ihm: „Eigentlich können wir jede Hand gebrauchen, aber ich muss erst Mama fragen!“ Sie entfernte sich und Bommel beobachtete wie sie mit ihrer Mutter sprach. Das wiederholte Kopfschütteln dieser ließ seine Hoffnung langsam wieder schwinden.
Als Lilo zu ihm zurückkam, ahnte er schon, wie ihre Antwort lauten würde und war deshalb nicht erstaunt, als sie ihm sagte: „Es tut mir leid, aber Mama meint, wir hätten schon zu oft mit Tieren Pech gehabt, die uns helfen wollten und dann doch schnell die Lust dazu verloren haben. Sie will nicht wieder umsonst Zeit und Mühe investieren!“
Daraufhin zog sich Bommel enttäuscht zurück. Er nahm sich aber fest vor wiederzukommen und die Regenbogenfee zu überzeugen, dass er es wirklich ernst meinte.
Und Bommel kam wieder, und wieder, und wieder. Die Regenbogenfee bemerkte ihn wohl und konnte nicht umhin seine Hartnäckigkeit zu bewundern. Vermutlich hätte Bommel sie mit der Zeit durch seine Ausdauer von seinen ernsten Absichten überzeugt. Es geschah aber etwas, was ihn früher an sein Ziel bringen sollte.
Eines Tages, als Bommel wieder das geschäftige Treiben der Feen beobachtete, fiel ihm auf, dass Lilo, mit der er sich immer wieder einmal unterhalten hatte, fehlte. Zunächst dachte er sich nichts dabei aber als sie auch nach längerer Zeit noch nicht erschien, wurde er doch unruhig. Die anderen Kinder der Regenbogenfee und sie selbst waren so beschäftigt, dass ihnen Lilos leerer Platz anscheinend gar nicht auffiel.
Bommel beschloss sich zunächst einmal in der näheren Umgebung umzusehen. Vielleicht war Lilo irgendwo eingeschlafen. Er hoppelte durch das Feld und sah hinter jeden Busch und unter jeden Baum. Als er schon aufgeben wollte, hörte er ein leises Wimmern und lief daraufhin noch ein Stückchen weiter an den Feldrand und tatsächlich, da saß Lilo und sah ihm mit verweinten Augen entgegen. Schnell trocknete sie ihre Tränen und sagte erleichtert: „Ach wie schön, dass du da bist, Bommel. Ich habe mir an diesem Busch meinen rechten Flügel verletzt, konnte deshalb nicht weiterfliegen und laufen traue ich mich nicht, weil ich Angst habe, dass ich den weiten Weg nicht schaffe oder unterwegs in Gefahr gerate und mich nicht schnell genug verstecken kann!“
Bommel verstand nur zu gut und forderte Lilo auf sich auf seinen Rücken zu setzen. Etwas langsamer als gewöhnlich - denn er wollte die kleine Fee nicht zu sehr durchschütteln - lief er den Weg zurück und brachte Lilo sicher zu ihrer Familie.
Die Regenbogenfee war außer sich vor Freude, denn inzwischen hatten sie alle bemerkt, dass Lilo fehlte und waren sehr in Sorge. Einige ihrer Geschwister wollten gerade ausschwirren, um sie zu suchen und freuten sich sehr, als sie wohlbehalten bei ihnen ankam. Lilos Mutter sah sich ihren verletzten Flügel an und verband ihn sorgsam. Das würde schnell wieder in Ordnung kommen meinte sie und wandte sich daraufhin an Bommel, um ihm ihren Dank auszusprechen.
Bommel wurde fast verlegen, als er die dankbaren Worte der Regenbogenfee hörte, aber was sie abschließend sagte, ließ sein Herz vor Freude schneller schlagen: „Ich stehe in deiner Schuld, Bommel, und deswegen will ich dir deinen Wunsch erfüllen und dich in unsere Tätigkeit einführen!“ Er wollte sie schon mit dankbaren Worten unterbrechen, aber sie hob die Hand und sprach weiter: „Ich möchte, dass du dir über Folgendes klar wirst: Ich besitze die Fähigkeit, dich mit den Talenten auszustatten, die du für dieses Handwerk brauchst, bedenke aber, dass eine Gabe allein nicht ausreicht, du musst auch Arbeit und Zeit investieren um alles zu bewältigen. Komm morgen wieder hierher und wir werden dir zeigen, was du wissen und können musst, dann sehen wir weiter!“
Bommel folgte ihrer Aufforderung und erschien am nächsten Tag in der Osterwerkstatt. Er freute sich zu sehen, dass Lilos Flügel wieder geheilt war und es ihr auch sonst gut ging. Lilo war es auch, die ihn strahlend empfing. Sie nahm ihn freundschaftlich an die Hand und führte ihn überall ein.
Die Regenbogenfee hielt Wort, sie versorgte ihn mit dem nötigen Talent, so dass er das Färben der Eier und das Anfertigen der Nester schnell beherrschte.
Seine anhaltende Begeisterung und die Geduld, die er für die anfallenden Arbeiten aufbrachte, überzeugten die Regenbogenfee schließlich, dass er wie geschaffen für diese Aufgabe war.
Der Ostermorgen brach an. Bommel durfte mit der Feenschar gemeinsam die Eier verstecken. Sie hatten ihm einen Korb für seinen Rücken angefertigt, in dem er viele Eier transportieren konnte. Mit etwas Feenstaub wurde sichergestellt, dass in dem Korb kein Ei zu Bruch ging. Alles ging gut. Bommel hatte viel Spaß beim Verstecken der Eier, aber am meisten freute er sich, als er nach getaner Arbeit aus sicherer Entfernung die Kinder beobachten konnte, die ihre Nester suchten. Der Freudenschrei der Kinder, wenn ein Nest gefunden wurde, war der schönste Lohn für die Mühen der letzten Tage.
Als Bommel zur Osterwerkstatt zurückkam, war er traurig, weil er wusste, dass es der letzte Tag für ihn war. Die Regenbogenfee und ihre Töchter waren schon mit dem Aufräumen der Werkstatt fertig und sahen ihm entgegen. Bommel nahm seinen Osterkorb vom Rücken und wollte sich schon von allen verabschieden, als die Feen auseinander gingen und ihm so den Blick auf eine reich gedeckte Festtafel frei gaben. Auf seinen freudig erstaunten Blick hin erklärte ihm Lilo: „Wir feiern den Abschluss des Osterfestes. Die Vorbereitungen sind uns in diesem Jahr durch deine Hilfe viel leichter geworden, deshalb sollst du unser Gast sein und Mama will dir noch einen Vorschlag machen!“
Und was das für ein Vorschlag war! Bommel glaubte zu träumen, als ihm die Regenbogenfee vorschlug in Zukunft als selbständiger Leiter die Vorbereitungen des Osterfestes zu übernehmen.
Die Feen würden nur noch da hilfreich eingreifen, wo es nötig war, zum Beispiel beim Sammeln und wenn nötig beim „Kochen“ der Ostereier, auch wurde die Bereitstellung der Farben garantiert und der Schutz der fertigen Eier beim Transport im Osterkorb. Alles andere sollte in Zukunft seine Sache sein. Er würde weitere Hasen und Häsinnen in die erforderlichen Tätigkeiten einweisen müssen deshalb war nicht daran zu denken, dass er bis zum nächsten Jahr Ruhe hätte.
Nachdem Bommel diesem Vorschlag aus frohem Herzen zugestimmt hatte wurde er von ihr offiziell zum „Chef-Osterhasen Bommel“ ernannt.
Die Regenbogenfee und ihre Kinder waren froh endlich den Richtigen für diesen Job gefunden zu haben und sorgten dafür, dass sich der Osterhase im Bewusstsein der Menschen einnistete.
So wurde Bommel der erste Osterhase und er hat es nie bereut, wenn er auch oft an die Worte der Regenbogenfee denken musste, die damals sagte: „Talent allein reicht nicht aus, du musst auch Arbeit und Zeit investieren!“ Wie recht sie hatte, aber es lohnte sich.
Mit der Zeit baute er mit seiner Hasenschar die Osterwerkstatt aus und sie eröffneten eine Osterhasenschule. Dort lernen Hasenkinder das Färben und Bemalen der Ostereier und das Flechten der Nester. Außerdem entstand nach einigen Jahren eine Osterfabrik, in der unter anderem Eier und Hasen aus Schokolade, kleine Bälle und Plüschtiere in Form von Hasen, Küken und Lämmern hergestellt werden.
Alle Nachfahren Bommels traten in seine Fußstapfen und führen so die Tradition des Osterhasen bis in die heutige Zeit fort.
Anita Menger 2020
Ein besonderes Osternest
Bommel, ein direkter Nachfahre des gleichnamigen, ersten offiziellen Osterhasen, warf einen zufriedenen Blick auf die bunten Eier, die er und seine Freunde bemalt hatten.
„Genug für heute!“, sagte er bestimmt und legte dabei seine Schürze ab. Freundlich bat er zwei seiner neben ihm stehenden Helfer: „Fridolin, Klopfer, trommelt bitte alle Osterhasen zusammen, wir treffen uns in 10 Minuten im Versammlungssaal!“
„Alles klar, Chef!“, antworteten die beiden Angesprochenen wie aus einem Mund und hoppelten hinaus um ihren Auftrag auszuführen.
Zehn Minuten später kamen alle Osterhasen im Versammlungsraum zusammen. Bommel eröffnete die außerordentliche Sitzung mit den Worten: „Meine Freunde, wie ihr wisst, habe ich wie jedes Jahr Kuriere zu den Menschen geschickt um zu sehen, ob bei ihnen alles in Ordnung ist!“. Mit sorgenvoller Stirn setzte er hinzu: „Die Nachrichten, die ich diesmal erhalten habe, sind leider mehr als betrüblich!“ Bommel erklärte den Anwesenden, dass ein Virus, das sich zu einer Pandemie entwickelt hatte, das Leben und die Existenz vieler Menschen in Gefahr brachte. Um ein wirksames Mittel gegen das Virus zu finden galt es für die Menschen Zeit zu gewinnen, was bedeutete, dass sie so gut wie möglich Abstand voneinander halten mussten. Deshalb wurden ihnen Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote auferlegt.
Bommel sah die besorgten Blicke seiner Freunde und sprach schnell weiter: „Nachdem ich das alles erfahren hatte, bin ich zu unserer Freundin Lilo und ihrer Mutter, der Regenbogenfee, gegangen und habe mich mit ihnen beraten. Lilo und auch ihre Mutter sind wie ich der Meinung, dass die Menschen bereits auf dem richtigen Weg sind um das Virus einzudämmen, aber es ist ein schwerer Weg, die Menschen brauchen jetzt viel Geduld und Kraft, um lange genug durchzuhalten. Auch zu Ostern werden sie auf Familienfeiern und Andachten verzichten müssen!“, sagte Bommel traurig und setzte abschließend hinzu: „Für uns Osterhasen gibt es nur eine Möglichkeit die Menschen zu unterstützen: Gegen das Virus selbst sind wir machtlos, aber wir können unsere Osternester mit ehrlichem Mitgefühl und herzlicher Liebe gestalten und unsere besten Wünsche einflechten. Lilos Mutter hat mich ein Gedicht gelehrt; wenn wir die Verse beim Fertigen der Nester aufsagen, verleihen wir den Wünschen besonderen Nachdruck!“
Eine Weile blieb es still, die Hasen waren betroffen und mussten das Gehörte erst einmal verarbeiten, doch schließlich erntete Bommel von allen Seiten Beifall und sein Vorschlag wurde umgehend in die Tat umgesetzt.
So kam es, dass die Osterhasen beim Flechten der Osternester die besten Wünsche für alle Menschen hineinlegten und während ihrer Arbeit diese Worte sprachen:
Mit Liebe flechte ich ein Nest
aus grünen Hoffnungszweigen,
die besten Wünsche web´ ich ein,
sie sollen euch begleiten:
Gesundheit und Zufriedenheit,
viel Glück und frohe Zuversicht
auch Kraft und Trost in schwerer Zeit,
Humor und Freundschaft fehlen nicht.
Mit bunten Eiern, etwas Moos
wird es bestückt - nun bleibt mir bloß
noch eins: Ein Band mit Gottes Segen
um dieses Osternest zu legen.
Nachdem sie fertig waren, erschienen die Regenbogenfee und ihre Tochter Lilo, sie bestäubten die Osternester mit Feenstaub, so wurden diese beim Transport geschützt und die Wünsche erhielten ihre magische Kraft.
Eifrig füllten die Osterhasen die fertigen Nester in ihre Rückentragen und machten sich auf den Weg zu den Menschen.
Alle Osterhasen hoffen, dass ihre liebevoll geflochtenen Nester von vielen Menschen gefunden werden. Sie würden sich freuen, wenn jeder, der eines dieser Nester findet, die damit verknüpften guten Gedanken an andere Menschen weitergibt, deshalb habe ich dieses Osternest für alle Leser hier eingestellt und schließe mich den guten Wünschen von ganzem Herzen an.