Frieda Jung 1865 - 1929
Maienregen
War das ein Flimmern und Schimmern und Glühn
In der Frühlingssonne!
Der Himmel so blau, die Erde so grün!
War das eine Wonne!
Ein Baden im flutenden Sonnenschein!
Die Knospen lachten
Und dachten,
Es müsse immer so sein.
Doch der Frühlingshimmel sagte: „Nein,
Mein Blumenwölkchen!
Meinst du denn, du wärst auf der Welt
Nur zum Lachen und Träumen bestellt?
Wachsen sollst du und blühn!"
Und ließ ein Wölkchen
Langsam über die Sonne ziehn.
Das trug einen Schleier vor dem Gesicht,
Ganz dicht.
Die Knospen kannten es nicht,
Und duckten die Köpfchen.
Und nun ein Tröpfchen,
Und noch eins, und hundert.
Die Blumenkinder schauten verwundert:
Was war das?
Nun kamen sie gar zu tausend, zu tausend,
Die silbernen Tropfen, rieselnd und brausend.
Waren schon Röckchen und Löckchen naß!
Sprachen die Blumen in leisem Zagen:
„Muß das sein?
Wir sind eigentlich mehr für Sonnenschein!"
Und wieder sagte der Himmel: „Nein,
Ihr Kleinen!
Ein wenig, ein ganz klein wenig muß auch
Der Frühling weinen.
Trinkt nur die frische, kühle Flut!
Sie tut gut!
Trinkt sie hinein in Wurzel und Schaft:
Maienregen ist Gottessegen!
Maienregen gibt Lebenskraft!"
Und sie horchten auf und hielten still,
Da fühlten sie innen ein Wachsen und Strecken,
Ein heimliches Sich-in-die-Höhe-recken, —
Etwas, so wunderbar,
Was noch schöner als träumen war!
Und sie hielten still, — ganz still. —
Und dann: verweht der graue Flor!
Sonne, nur Sonne rings auf den Wegen!
Wo sie erst ein Wölklein gesehn,
Sahen sie nun ein Englein stehn. - -
Maienregen ist Gottessegen!
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Peter Zirbes 1825 - 1901
Im Mai
Hier auf des Berges Höh'
Gerne man stehet,
Wenn über Wald und See
Frühlingshauch wehet.
Vöglein in Strauch und Zweig,
Blümlein am Wiesenteich
Freuen das Herz, das vor Wonne vergehet.
Wölkchen im Blau entlang
Zieh'n nicht vergebens,
Veilchen im Lerchenhang
Freu'n sich des Lebens.
Röslein auf brauner Haid'
Prangen im Sonntagskleid,
Ewige Kraft des unendlichen Lebens!
Waldestal, Felsenborn,
Gräslein im Grunde,
Blühender Baum und Dorn,
Wirkend im Bunde!
Alles, was naht und flieht;
Alles, was welkt und blüht,
Singt des Allmächtigen ewige Kunde!
Johann Nepomuk Vogl 1802 - 1866
Verlor´ner Mai
Es blüht der Mai, es lacht der Mai,
Der Frohsinn ist erwacht auf’s Neu’,
Wie kommt’s, dass mir so trüb’ im Sinn?
Die Lieb’ ist hin, die Lieb’ ist hin!
Wie schlagt so schön die Nachtigall,
Melodisch rauscht der Wasserfall,
Wie kommt’s, dass mir so trüb’ im Sinn?
Die Lieb’ ist hin, die Lieb’ ist hin!
Die Bäume sind so wundergrün,
Wohin ich trete, Blumen blüh’n,
Wie kommt’s, dass mir so trüb’ im Sinn?.
Die Lieb’ ist hin, die Lieb’ ist hin!
Was nützt nun Mai und Nachtigall,
Was Blume, Baum und Wasserfall?
Hängt nicht an dir ein Herz voll Treu’,
Blüht nun und nimmer dir der Mai.
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